Krawall und Remmidemmi - Fuball schauen mit einem 11FREUNDE

December 2024 · 2 minute read

Fünf gegen einen. Der junge Mann mit dem rot-weißen Trikot hat keine Chance, als die Angreifer über ihn her­fallen. Er liegt auf dem Boden, Tritte gegen den Rücken, in die Hüfte. Zum Glück geht es ganz schnell, nach nicht mal zwölf Sekunden ist alles vorbei.

Der Vor­fall ereig­nete sich vor zwei Wochen beim Grup­pen­spiel zwi­schen Argen­ti­nien und Kroa­tien. Er ist auf einem Video fest­ge­halten, und eigent­lich passen die Bilder über­haupt nicht zu dem Zwi­schen­fazit, das WM-Orga­ni­sa­toren, Fans und Jour­na­listen zu diesem Tur­nier ziehen: Alles gut in Russ­land, alles ruhig, keine Ran­dale, nur sehr viele Fans in sehr lus­tigen Out­fits. Und nun dieser Clip.

Nur“ eine spon­tane Prü­gelei

Werden wir also doch Zeuge von Hoo­li­gan­kämpfen wie bei der EM 2016? Erwartet uns Kra­wall statt Rem­mi­demmi?

Ach, komm“, sagt Jev­geni, der dieses Video auf seinem Smart­phone abge­spielt hat. Das war eine spon­tane Prü­gelei im Sta­dion, weil ein Typ etwas Dummes gesagt oder gemacht hat. Das pas­siert jedes Wochen­ende in einer Dorf­disco. Mit Hoo­li­gans hat das nichts zu tun.“

Auf­bruch in eine neue Zeit

Jev­geni, Mitte 40, Polo­shirt von Kappa, schwarze Cap, sitzt in einer Kel­ler­kneipe im Zen­trum von Moskau. Ein Zwei-Meter-Koloss, breite Schul­tern, kan­tiges Gesicht, aber wenn er spricht, wirkt er bei­nahe sanft und schüch­tern. Er hat eine wilde Jugend hinter sich und eine schräge Vita, die sich liest wie aus dem Dreh­buch einer Art­house-Gro­teske. Dieser Mann, der so groß und mächtig erscheint wie die Sowjet­union vor ihrem Unter­gang, war einer der ersten harten Jungs in den Mos­kauer Fan­kurven.

Einige würden ihn Ultra nennen, andere Hoo­ligan. Im März 1994 grün­dete er mit ein paar Freunden die erste Spartak-Moskau-Firm. Sie nannten sich Flint’s Crew“, den Namen hatte Jew­geni aus einer Text­zeile der deut­schen Heavy-Metal-Band Run­ning Wild. Jene neun­ziger Jahre waren für ihn und seine Freunde, die alle­samt hinter dem eisernen Vor­hang auf­ge­wachsen waren, der Auf­bruch in eine neue Zeit.

Ein Gesicht wie ein Spreng­mi­nen­feld

Sie tes­teten Grenzen aus und stu­dierten Hoo­ligan­filme wie I.D.“ oder Ultrà“, als wären es hei­lige Schriften. Sie streiften sich Fred-Perry-Shirts über die Rie­sen­körper und zogen in den Krieg gegen die Red Blue War­riors“ von ZSKA und Blue White Dyna­mite“ von Dynamo. Manchmal kam er nach Hause, und sein Gesicht sah aus wie ein explo­diertes Spreng­mi­nen­feld.

Ihre Kultur nannten sie nicht Hoo­li­ga­nismus, son­dern Oko­lo­fut­bola“. Das bedeutet: neben dem Fuß­ball.

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